Sirtfood ist zurzeit buchstäblich in aller Munde, denn mit Sirtfood hat Adele fast 50 kg abgenommen. Mit Schokolade und Rotwein, die ausdrücklich nicht nur geduldet sind, sondern auch empfohlen werden. Mal ehrlich: Wenn man mit Schokolade und Rotwein abnehmen würde, wären wir doch alle schlank, oder?
Aber dass sie nun schlank ist, zeigt, dass Adeles Diät durchaus wirksam sein kann. Aber im Prinzip ist es eine ganz normale Diät, mit Kalorienrestriktion, also FdH, und Aktivität, also Sport. Das sogenannte Sirtfood dürfte dabei ordentlich Hilfestellung geleistet haben..
Hinter dem Sirtfood Hype verbergen sich die Sirtuine. Das sind körpereigene Enzyme, die wohl tatsächlich für alle möglichen gesundheitsfördernden Effekte, die verschiedenen Nahrungsmitteln nachgesagt werden, verantwortlich sind.
Was sind Sirtuine?
Sirtuine sein hochkonservierte Enzyme, die in allen tierischen Lebewesen, sogar Bakterien vorkommen. Wobei: Bakterien sind keine Tiere und von pflanzlichen Sirtuinen hab ich bisher nichts gelesen, aber wenn sie so hochkonserviert sind, werden sie wohl auch dort vorkommen – reine Vermutung.
In Säugern, also auch dem Menschen, gibt es sieben verschiedene Sirtuine, von denen drei (SIRT1, SIRT6 und SIRT7 im Zellkern vorkommen, drei in den Mitochondrien (SIRT3, SIRT4 und SIRT5) und eines (SIRT2) im Cytosol, also einfach so, in der „Suppe“ die das Zellinnere ausmacht.
Im Prinzip sind Sirtuine Deacetylasen, also Enzyme, die von anderen Proteinen Essigsäurereste abschneiden. Dadurch verändert sich deren Aktivität, meist werden sie durch die Aktion der Sirtuine aktiviert, und dadurch entsteht eine ganz neue, und angepasste, Stoffwechselsituation.
Was macht Sirtfood?
Sirtfood aktiviert Sirtuine. Zuerst entdeckte man ihre Aktivität als Histondeacetylasen im Zellkern. Histone sind die Proteine, um die das Erbgut gewickelt ist, um ihm Struktur zu geben und es in Ruhephasen (der Gene) stillzulegen. Das geschieht, nachdem Sirtuine am Werk waren. Bei aktiven Genen sind die Histone an bestimmten Aminosäuren, nämlich Lysin, acetyliert. Dadurch ist der gesamte Komplex aufgelockert und die Gene können abgelesen werden. Entfernt man den Acetylrest schnurrt die ganze Geschichte zusammen, kondensiert und die Gene könne nicht mehr abgelesen werden.
Heute weiß man, dass das bei weitem nicht die einzige Funktion der Sirtuine ist, dass sie sehr viele andere Proteine bearbeiten und auch nicht immer nur Essigsäurereste abschneiden, sondern auch längerkettige (aber immer noch kurze) Fettsäuren. Dazu kommen noch weitere Aktivitäten, die sich aus der von ihnen katalysierten Reaktion fast logisch ergeben.
Viele ihrer Substrate sind sogenannte Transkriptionsfaktoren. Das sind Proteine, die die Aktivität von Genen regeln. Ein Gen besteht aus der Bauanleitung für ein Protein und einem regulatorischen Bereich, der bestimmt, ob und wie stark das Gen abgelesen werden soll. Dazu binden Transkriptionsfaktoren an den regulatorischen Bereich, den Promotor und bestimme so die Aktivität des Gens.
Klar, dass es für verschiedene Stoffwechselsituationen verschiedene Transkriptionsfaktoren gibt, sonst bräuchte man sie ja nicht. Und Sirtuine aktivieren nun Transkriptionsfaktoren, die, wenn sie aktiv sind, einige gesundheitsfördernde Effekte vermitteln können.
Sirtuine sind Langlebigkeitsenzyme
Denn wenn sie aktiv sind und fleißig arbeiten, kommt viel Gutes für unsere Gesundheit dabei heraus.
Sirtuine optimieren die DNA Reparaturmechanismen. Wenn sie aktiv sind, schauen die Enzyme etwas genauer hin, wenn sie im Vorfeld einer Zellteilung das Erbgut verdoppeln.
Sie regen die Autophagie an. Das ist ein zellulärer Aufräummechanismus, die zelleigene Müllabfuhr sozusagen. Es ist wie im richtigen Leben: Dinge nutzen sich mit der Zeit ab und sind nicht mehr so einsatzfähig wie am ersten Tag. Im Laufe des Stoffwechselgeschehens nehmen Moleküle Schaden und belasten die Zelle in Form von Zellschrott. Sirtuine sorgen dafür, dass diese Moleküle verpackt, abtransportiert und recycelt werden. Dann kann die Zelle wieder optimal arbeiten. Vor allem in den Mitochondrien ist das wichtig: Hier passieren besonders viele „Unfälle“ und sie sind besonders wichtig für die Bereitstellung von Energie – ohne die nichts läuft.
Die Alternative zur Autophagie wäre, die ganze Zelle komplett zu entsorgen. Aber unter den Bedingungen, unter denen Sirtuine aktiv sind, kann der Körper sich das nicht so recht leisten. Das Positive daran: Mit jeder Zellteilung, die für das Ersetzen der Zelle ja nötig ist, altert der Körper ein wenig. So halten Sirtuine jung, indem sie die Zellteilungsrate herabsetzen.
Außerdem aktivieren Sirtuine den Fettstoffwechsel. Deswegen ist die Welt ja hinter ihnen her. In Leber, Muskel und Fettgewebe aktiviert SIRT1 einen Transkriptionsfaktor, PGC-1 alpha, und verschiebt damit den Stoffwechsel in Richtung Lipolyse, also den Abbau von Körperfett. Auf dieser Stoffwechselschiene wird auch die Vermehrung der Mitochondrien gefördert. Viele Mitochondrien können viel Energie erzeugen. Das wollen wir.
Insgesamt haben Sirtuine also einen hohen Anti-Aging-Faktor und schützen vor Zivilisationskrankheiten wie dem metabolischen Syndrom. Sie wirken entzündungshemmend, aktivieren die Fettverbrennung, vor allem in der Leber, sind entzündungshemmend und stärken die Organe, die anscheinend allesamt von der Aktivität der Sirtuine profitieren: Herz, Leber, Nieren und auch das Gehirn.
Ob Sirtuine auch gegen Krebs wirken, ist bisher nicht so ganz klar. Bei manchen Krebsarten wirken sie hemmend, dasselbe Enzym kann bei anderen Krebsarten das Wachstum des Tumors fördern.
Wie aktiviere ich nun Sirtuine?
Der Weckruf für Sirtuine heißt ganz klar Energiemangel. Das liegt in der Natur seines Cosubstrates NAD+. Sirtuine nutzen es, um den abgespaltenen Essigsäurerest daran festzukleben. Aber NAD+ ist nicht immer in der gleichen Menge verfügbar. Seinen Hauptberuf übt es in der Elektronentransportkette der Mitochondrien aus und stellt dort in seiner reduzierten Form als NADH die Energie bereit, die idurch die Atmung gespeichert wird. Fehlt und Nahrung dann hat das NAD+ nict viel zu tun und liegt vor allen in der Form vor, in der es die Sirtuine für ihre Aktivität benötigen: als NAD+. Ganz schön clever.
Deswegen kann man die Sirtuine durch Kalorienrestriktion ganz schön auf Trab bringen. Das Kalorienrestriktion lebensverlängernd wirkt weiß man schon lange. Lange vor den 1990ern, in denen die Sirtuine entdeckt wurden. Nun weiß man auch, warum das so ist.
Außerdem werden Sirtuine durch ein AMP abhängiges Enzym aktiviert. AMP ist ein Abbauprodukt des Energieträgers ATP. So macht auch das Sinn, denn viel AMP gibt es nur bei Energiemangel.
Und noch einen Mechanismus zur Aktivierung der Sirtuine gibt es: körperliche Aktivität aka Sport. Alles, was Energiemangel erzeugen oder signalisieren könnte eben.
Sirtfood enthält STACs
Dann gibt es noch STACs – Sirtuin Activating Compounds. Sie können an das Protein binden und seine Aktivität dadurch erhöhen. Bisher hat man über 100 solcher Verbindungen identifiziert. Die bekanntesten sind wohl Resveratrol und Quercetin. Und insgesamt dürfte es sich dabei um das ominöse Sirtfood handeln, denn viele STACs sind sekundäre Pflanzenstoffe, Polyphenole und so.
Ob diese Verbindungen wirklich wirken, darüber herrscht noch weitgehend Unklarheit. Die Tests wurden mit unnatürlich hohen Dosen der entsprechenden Stoffe durchgeführt, die man mit natürlicher Nahrung niemals erreichen kann. Dann bleibt noch die Frage der Bioverfügbarkeit. Selbst wenn ich Tonnen von STACs schlucke, kommen die da an wo sie hinmüssen? Man forscht aber schon an künstlichen STACs mit optimierter Formulation.
Was ist Sirtfood?
Ein Blick auf die Liste der Sirtfoods zeigt, dass es sich dabei um bunte, scharfe oder bittere Lebensmittel handelt. Wohl solche, die auch viele Polyphenole enthalten und die schon immer empfohlen werden. Jetzt weiß man halt, warum: Polyphenole wirken im Körper ähnlich wie Kalorienrestriktion.
Und genau genommen klingt die Liste der Sirtfoods schon ziemlich lecker:
Typisches Sirtfood sind Beeren wie Him-, Brom- und Heidelbeeren, Äpfel und Zitrusfrüchte sowie Kohl, vor allem Brokkoli und Grünkohl, Tomaten, Rucola, Zwiebeln und Knoblauch, Sellerie und Gewürze und Kräuter, wie Petersilie, Chili, Kurkuma und auch Walnüsse und Cashewkerne. Die Polyphenole im Kakao machen Bitterschokolade zu Sirtfood. Und das Resveratrol aus Rotwein natürlich nicht vergessen.
Fazit: Sirtfood sind eine tolle Sache, dessen gesundheitsfördernde und lebensverlängernde Aktivität man auf jeden Fall zu nutzen versuchen sollte. Um sie aus der Reserve zu holen, sind Kalorienrestriktion und Sport bestens geeignet. Ein paar Beeren, Zitrusfrüchte oder Soja auf dem Teller schaden nicht, aber den größten Effekt hat wohl ein leerer Teller. Das spart auch den Abwasch. 😉
Quellen:
Feldman, Jessica L et al. “Sirtuin catalysis and regulation.” The Journal of biological chemistry vol. 287,51 (2012): 42419-27. doi:10.1074/jbc.R112.378877
Chang, Hung-Chun, and Leonard Guarente. “SIRT1 and other sirtuins in metabolism.” Trends in endocrinology and metabolism: TEM vol. 25,3 (2014): 138-45. doi:10.1016/j.tem.2013.12.001
Sinclair, David A, and Leonard Guarente. “Small-molecule allosteric activators of sirtuins.” Annual review of pharmacology and toxicology vol. 54 (2014): 363-80. doi:10.1146/annurev-pharmtox-010611-134657
Watroba, Mateusz, and Dariusz Szukiewicz. “Sirtuins at the Service of Healthy Longevity.” Frontiers in physiology vol. 12 724506. 25 Nov. 2021, doi:10.3389/fphys.2021.724506